Plattform bündelt Hilfe aus dem ganzen Tal
Fischbachau – Zehn Kerzen flackerten auf Andrijs Geburtstagskuchen. Als es noch neun waren, feierte der Bub mit seinen Eltern Yuliia und Albert daheim in Saporischschja im Süden der Ukraine. Keiner in der Familie hätte sich damals vorstellen können, dass sie ein Jahr später als Kriegsflüchtlinge in Fischbachau leben würden – weit weg von ihrer vom russischen Militär bedrohten Heimat. Doch Andrij hatte Glück im Unglück: Er ist mit seinen Eltern in einer Wohnung an der Birkensteinstraße in Fischbachau untergekommen – bestens umsorgt vom Ukraine-Helferkreis im Leitzachtal. Dessen Mitglieder sorgten dafür, dass nicht nur einer, sondern gleich drei Geburtstagskuchen auf den Zehnjährigen warteten, als er von der Schule zurück in die Unterkunft kam.
Es sind Geschichten wie diese, die zeigen, dass Flüchtlingshilfe nicht mit der erfolgreichen Unterbringung endet. Damit sich die Schutzsuchenden wirklich geborgen fühlen, braucht es vor allem eines: Menschen, die da sind, wenn man sie braucht –egal bei welchen Fragen. In Fischbachau kümmert sich darum ein sehr aktives Netzwerk an Helfern. Unter dem Motto „Leitzachtaler helfen zam" haben sie sich bereits während der Corona-Pandemie zusammengefunden. Die Ukraine-Krise hat den rund zwölf Personen um die beiden Hauptakteure Gabi Aicher und Horst Koller ein neues Aufgabengebiet beschert.
Dreh- und Angelpunkt ist eine eigene Online-Plattform (https://ukrainehilfe
fischbachau.blogspot.com), die ein IT-Experte im Ruhestand für die Fischbachauer Helfer erstellt hat, berichtet Regina Steinberger vom Helferkreis. Sie dient Helfern und Geflüchteten gleichermaßen als Anlaufstelle, viele Informationen sind auch auf Ukrainisch abrufbar. Das Angebot reicht von organisierten Einkaufsfahrten über einen zweisprachigen Fragebogen für Apothekenbesuche bis zu einer Jobbörse. Auch eine Liste mit Sport- und Freizeitmöglichkeiten, ein Behördenwegweiser und eine interaktive Karte der Gemeinde ist verfügbar. Auch Hilfsangebote können direkt auf der Internetseite eingereicht werden.
Wie die Helfer berichten, leben derzeit 68 Flüchtlinge in privaten Unterkünften in Fischbachau. Das Netzwerk betreue aktuell drei Familien mit insgesamt 25 Personen, die in Birkenstein untergekommen sind. Ob bei Arztbesuchen, Einkaufsfahrten oder beim Ausfüllen von Formularen: Die Mitglieder des Helferkreises stehen bei fast allen Fragen des Alltags zur Verfügung. Und sie knüpfen Kontakte zu anderen Stellen im Ort, die ihrerseits in der Ukraine-Hilfe aktiv werden möchten. Der Elternbeirat der Elbacher Grundschule sammelte Schulmaterial und Sportkleidung, um den neu eingeschulten Kindern einen reibungslosen Start zu bescheren. Der Kindergarten Wilde Wiese in Hundham richtete eine internationale Spielgruppe ein. An der Mittelschule Fischbachau erleichtern Schulbegleiter den ukrainischen Jugendlichen die Teilnahme am Unterricht. Die beiden Sportvereine SF Fischbachau und SC Wörnsmühl luden die Geflüchteten zum Training ein. Zahlreiche Geschäfte im Leitzachtal stellten Lebensmittelspenden zur Verfügung. Michaela Schmitz-Guggenbichler vom Landgasthof Alte Bergmühle richtete spontan ein Lager für Sachspenden (Kleidung, Fahrräder, ...) in ihrem Keller ein. Stolz ist der Helferkreis auch auf das Engagement der Gastwirtsfamilie Göttfried, die einer bald fünfköpfigen Familie eine eigene Wohnung verschaffen und diese auch ausstatten konnte.
Um den Schwung in den Aktionen beibehalten zu können, sucht das Team weitere Helfer, aber auch Spender. Mittlerweile wurde für finanzielle Zuwendungen über die Kolpingsfamilie Leitzachtal auch ein eigenes Konto bei der Raiffeisenbank im Oberland eingerichtet (IBAN DE13 7016 9598 0202 5360 30, Verwendungszweck: Ukrainehilfe Fischbachau). Wer im Helferkreis mitarbeiten möchte, kann einfach bei den jeden Mittwochabend um 18 Uhr im Klosterstüberl stattfindenden Treffen vorbeischauen. So hoffen die Initiatoren, den Flüchtlingen wie dem kleinen Andrij ihren Aufenthalt in Fischbachau zu erleichtern. Am meisten würden sie dem Zehnjährigen aber etwas anderes wünschen: dass er seinen elften Geburtstag wieder daheim in Saporischschja feiern kann.
Quellenangabe: Miesbacher Merkur vom 28.05.2022, Seite 38




