Freitag, 1. Juli 2022

Lange Verhandlungen ärgern Helfer

Lange Verhandlungen ärgern Helfer


Ungenutzt: Obwohl Helferkreis und Gemeinde das Haus Hildegard in Birkenstein für Geflüchtete hergerichtet haben, steht es weiter leer. Landratsamt und Ordinariat verhandeln seit Monaten über Vertragsdetails. Foto: Stefan Schweihofer

Fischbachau – Als unsere Zeitung am 23. März dieses Jahres einen Artikel unter dem Titel „Platz für 60 Geflüchtete dank Schnelligkeit?" veröffentlichte, verhinderte nach heutigem Stand nur das Fragezeichen am Ende der Überschrift eine Falschmeldung. Damals war der Ukraine-Krieg keinen Monat alt. Die Kommunen brachten die Geflüchteten meist notgedrungen bei Privatleuten unter – im Landkreis oft in Ferienwohnungen, deren Eigentümer diese ab Mai wieder vermieten wollten. Eine Notlösung. Doch in Fischbachau schien der Landkreis seiner Zeit voraus.

Das Erzbischöfliche Ordinariat München hatte auf Vermittlung von Ex-Bürgermeister Josef Lechner das Haus Hildegard in Birkenstein dem Landkreis als Flüchtlingsunterkunft angeboten. Eine Grundreinigung und einen Technik-Check später könnten dort bis zu 40 Geflüchtete leben, hieß es damals seitens der Kirche. Das Landratsamt prüfe das Angebot, sagte eine Sprecherin. Mehr als drei Monate später haben sich beide Seiten noch immer nicht geeinigt.

Das wurde klar, als Korbinian Wolf (Grüne) das Haus Hildegard im Fischbachauer Gemeinderat zur Sprache brachte. „Aus Sicht des sehr engagierten Helferkreises geht es langsam vorwärts", sagte er. Es sei alles vorbereitet; jetzt dürften die Ehrenamtlichen, die „hervorragende Arbeit" geleistet hätten, nicht im Stich gelassen werden.

„Es ist mühselig, wie langsam das geht", bestätigte Bürgermeister Stefan Deingruber (CSU). „Wir sind es langsam satt." Die Gemeinde habe mehrfach Briefe an Landratsamt und Ordinariat geschrieben, im Haus das Wasser geprüft und den Heizöltank aufgefüllt. Der Helferkreis habe alles hergerichtet. Doch die Vertragsverhandlungen zögen sich weiter hin: „Sprechen Juristen miteinander, geht es auch mal um Kleinigkeiten." Nun sei aber Pragmatismus gefragt.

Das Landratsamt bestätigt auf Nachfrage: Die Verhandlungen mit dem Ordinariat dauern an. „Weil zahlreiche Faktoren zu bedenken sind und auf allen Seiten auch hausintern eine intensive Abstimmung nötig ist, benötigt die Anmietung eines solch großen Objektes ausreichend Vorbereitungszeit", schreibt eine Sprecherin. Aus Sicht der Behörde sei die Zeit, „die man sich für die ordentliche Vorbereitung nimmt, gerechtfertigt". Details könne sie wegen der „selbstverständlich vertraulichen Vertragsinhalte" nicht nennen.

Auch das Ordinariat äußert sich mit Verweis auf die laufenden Verhandlungen nicht zu den Hintergründen der Verzögerung. Beide Seiten vermeiden außerdem Prognosen, wann Geflüchtete ins Haus Hildegard einziehen.

Konkreter wird Josef Lechner. Der Verhandlungsmarathon nervt auch ihn: „Wenn man eine kostenlose Suppe bekommt, dann das Haar in dieser Suppe sucht und darüber dann drei Monate verhandelt, fehlt mir das Verständnis." Nach seinen Informationen könnte die Einigung aber schon in der kommenden Woche erfolgen. Eine Brandschutzanpassung später – Lechner spricht von wenigen Tagen –, könnten Geflüchtete in Haus Hildegard ziehen.

Trotzdem werde die Hängepartie dem Landkreis langfristig schaden, glaubt Lechner. Weil die Verhandlungen auf dem Rücken von Geflüchteten, Helfern und Vermietern ausgetragen worden seien, würden Letztere, wenn das nächste Mal Geflüchtete in einer Ferienwohnung aufgenommen werden sollen, weniger bereitwillig helfen. „Das werden wir spüren."

Was Fischbachau auch spüren wird: Die von Lechner ebenfalls im März vermittelte Zusage, das Münchner-Kindl-Heim als Geflüchteten-Unterkunft nutzen zu können, hat sich ebenfalls zerschlagen. Laut Lechner hat der Münchner-Kindl-Verein, dessen Vorstand der Idee zunächst einstimmig zugestimmt hatte, seine Zusage zurückgezogen. Lechner: „Da endet mein Verständnis völlig." Statt zwei größeren Flüchtlingsunterkünften, wie vor einem Vierteljahr angestrebt, betreibt der Landkreis in Fischbachau derzeit also gar keine.



Quellenangabe: Miesbacher Merkur vom 02.07.2022, Seite 36

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