Donnerstag, 24. März 2022

Platz für 60 Geflüchtete dank Schnelligkeit?

Platz für 60 Geflüchtete dank Schnelligkeit?



Fischbachau – Wie sehr die Unterbringung geflüchteter Ukrainer den Landkreis beschäftigt und wieso es dabei teils auf Geschwindigkeit ankommt, zeigt eine Geschichte, die mit dem Haus Hildegard in Fischbachau beginnt. Eine Leserin schrieb unserer Zeitung, das Haus werde, „wie jeder Einheimische weiß und sehen kann", betreut, vermutlich auch, um den Wert zu erhalten. „Es wäre sicher leicht, es für Flüchtlinge aus der Ukraine herzurichten und böte gewiss eine bessere Infrastruktur als eine Turnhalle." Die Leserin forderte: Unsere Zeitung soll laut an die Tore der Kirchen-Verantwortlichen klopfen und sie „an ihre Sonntagspredigten erinnern".

Unsere Zeitung hat angeklopft. Am Ende der Recherche sind wir bei einem ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde gelandet. Die Erkenntnis: Dass das Haus Hildegard Geflüchtete beheimaten wird, scheint wahrscheinlich. Beinahe hätten die Plätze aber für die Stadt München gezählt und nicht für Fischbachau. Doch eins nach dem anderen.

Zunächst bestätigte das Erzbischöfliche Ordinariat München auf Nachfrage: Das Haus Hildegard steht tatsächlich leer. Für eine Wohnnutzung seien Grundreinigung sowie Prüfung und gegebenenfalls Ertüchtigung von Elektrik, Heizung, Trinkwasser und Brandschutz nötig. Gravierende bauliche Mängel seien jedoch nicht bekannt.

Mehr noch: „Die Erzdiözese München und Freising hat dem Landratsamt Miesbach das Objekt bereits für eine mögliche Unterbringung von geflüchteten Menschen angeboten", schreibt Pressesprecher Hendrik Steffens. Ob sich das Haus dafür eignet und wie viele Menschen dort gegebenenfalls untergebracht werden können, müsse die Behörde prüfen.

Landratsamt-Sprecherin Sophie Stadler bestätigt auf Nachfrage: Die Unterkunftsverwaltung sei mit der Erzdiözese über ein mögliches Angebot für Geflüchtete aus der Ukraine in Kontakt. Noch sei aber keine Entscheidung gefallen. Genaueres könne die Behörde nicht sagen, sagt Stadler. Die Unterkunftsverwaltung sei derart mit Bewertung und Vermittlung von Wohnraum für Geflüchtete beschäftigt, ihr bliebe keine Zeit für Auskünfte zu einzelnen Objekte. Auch das sagt viel über die Lage aus. Nur so viel verrät Stadler: Den Kontakt zum Ordinariat habe Fischbachaus ehemaliger Bürgermeister Josef Lechner vermittelt.

Lechner bestätigt auf Nachfrage: Weil Fischbachau bis zum gestrigen Amtsantritt des frisch gewählten Bürgermeisters Stefan Deingruber (CSU) keinen Rathaus-Chef hatte, habe er sich in die Suche nach Flüchtlingsunterkünften eingeschaltet. Muss der Landkreis irgendwann ihm zugewiesene Flüchtlinge an die Gemeinden weiterverteilen, bräuchten diese genügend Plätze. Daher sei Vorbereitung wichtig. „Wir müssen vor der Welle sein, nicht dahinter."

Das brachte Lechner zum Haus Hildegard. Ein Bauhofmitarbeiter habe ihm berichtet, das Haus könne schnell 30 Geflüchtete adäquat beheimaten – 16 Zimmer, große Speisesäle, Küche, Aufenthaltsräume, Bus vor der Haustür. Also rief der Ex-Bürgermeister im Ordinariat an. Inzwischen habe er die Zusage. Die Zusage des Amts, das merkt man im Gespräch, hält er für sicher.

Lechner hat eine weitere Zusage eingeholt: Auch das Münchner-Kindl-Heim in Aurach habe ihm zugesichert, 30 Geflüchtete unterbringen, sagt er. „Auch dort können wir sofort aufsperren."

Damit kann Fischbachau insgesamt 60 Geflüchtete beherbergen. Da die Gemeinde nach dem geltenden Schlüssel fünf Prozent aller dem Landkreis zugeteilten Geflüchteten aufnehmen muss, ist sie bis zu einer Gesamtzuteilung von 1200 Flüchtlingen abgesichert. Sollten es mehr werden, sagt Lechner, habe er zwei weitere Objekte in der Hinterhand.

Lechner betont auch: Dass er schnell aktiv wurde, war wichtig. Da Ordinariat und Münchner-Kindl-Verein beide in München sitzen, habe die Landeshauptstadt die Objekte in Fischbachau bereits zur Unterbringung eigener Flüchtlinge ins Auge gefasst. Lechner: „Wenn man nicht schnell reagiert, hätten beide Häuser Münchens Oberbürgermeister Reiter die Zusage gegeben, und der Zug wäre abgefahren gewesen."

Auch über die Ukraine-Krise hinaus scheint das Haus Hildegard eine Zukunft zu haben: Bis Ende des Jahres, sagt Ordinariatssprecher Steffens, solle eine Machbarkeitsstudie vorliegen, ob dort ein Exerzitien-Angebot eingerichtet werden kann.  mas



Quellenangabe: Miesbacher Merkur vom 23.03.2022, Seite 37


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